Podcast Lagebesprechung

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Ein Podcast des rechten Netzwerks „EinProzent“ auf Spotify nennt sich unauffällig wie selbstbewusst: „Lagebesprechung – der Podcast zur Corona-Krise“. In Gesprächen zwischen den beiden Moderatoren und Wortführern der neuen Rechten, die für ihre radikalen Positionen bekannt sind, geht es um Fragen rund um die Corona-Pandemie.


GESPRÄCHSSTOFF


Eine Debatte unserer Zeit

Dass man es hier mit einem rechten, pseudo-journalistischen Format zu tun hat, sollte schon die erste Folge klarmachen. Björn Höcke wird vom Moderator Arndt Novak dazu eingeladen, über Corona-Maßnahmen zu schwadronieren, wirft der Presse vor, nur „Regierungspropaganda“ zu verbreiten oder nennt den Verfassungsschutz „Etabliertenschutz“ – wohl gemerkt im Kontext dessen, dass dieser den rechten Flügel der AfD beobachtet, dessen Spitze Höcke ist. Kritische Fragen? Fehlanzeige. Mit typisch-rechten Narrativen wird nicht nur in dieser Folge von allen Beteiligten in die gleiche Kerbe geschlagen.


Und doch könnte einem politisch ungeschulten Ohr, das die geladenen Gäste nicht kennt und sich über Corona informieren will, eine realistische Einordnung schwer fallen. Ein Blick darauf, wie weit in rechte Sphären die Palette geladener Gäste reicht, kann auf die Sprünge helfen: Oliver Hilburger aus der zweiten Episode war Gitarrist der Band „Neue Werte“, die zum unterstützenden Umfeld der NSU gehörten. Auch Arndt Novak selbst soll für die rechtsextreme identitäre Bewegung aktiv gewesen sein und schreibt für das Magazin “Freilich”, das sich um die Vernetzung von Inhalten zwischen den Identitären und Politikern der FPÖ bemüht. Vernetzung rechter Akteure ist auch den Urhebern des Podcasts „EinProzent“ ein Anliegen. Auf seiner Homepage nennt es sich „Deutschlands größtes patriotisches Netzwerk“. Weiter heißt es dort: „Es ist an der Zeit, dass die Stimme des Volkes wieder Gehör findet. Wir vernetzen den Widerstand.“


Wie es um die Gesinnung dieses Widerstands geht, ist nicht schwer zu erraten.
Sollte vor diesem Hintergrund der Podcast besser direkt gelöscht werden? Dafür plädiert David Kiefer, Aktivist des Berliner Bündnis gegen Rechts. Er initiierte im Namen des Bündnisses eine Online-Petition die den Streamingdienst dazu auffordert, den Podcast umgehend von der Plattform zu entfernen. Er betont, der Podcast sei als Teil der neurechten Medienstrategie einzuordnen, die gefährliche und diskriminierende Meinungen wieder salonfähig machen wolle. Auf einer Plattform wie Spotify, mit entsprechender Reichweite, würde ein solcher Podcast Anknüpfungsmöglichkeiten schaffen und den „rechten Gedankenwelten“ Vorschub leisten. Deshalb appelliert er an Spotify, mächtigen Wortführern der neuen Rechten keine Plattform zu geben.


Horst Meier, auf der anderen Seite, sieht eine solche Löschung kritisch. Als Jurist und Essayist publiziert er seit Jahren zu rechtspolitischen Themen wie Hate Speech oder Bürgerrechten. Er weist auf den Unterschied zwischen strafrechtlich relevanten, hetzerischen Inhalten und rechtem „Allerweltsgeschwafel“ hin und wünscht sich bei Zensureingriffen eine Differenzierung. Erstere würden zu Recht auf Spotify entfernt werden, wie es tatsächlich mit mit Playlisten gehandhabt wurde, die explizit antisemitische und rassistische Titel trugen, NS-Symbole verwendeten oder den Holocaust verharmlosten


In der Podcast-Reihe „Lagebesprechung“ fehle solches Belastungsmaterial allerdings. „Die Regel ist Meinungsfreiheit. Wer sich auf eine Ausnahme beruft, braucht triftige Gründe. Die triftigen Gründe suggeriert diese Petition, auch in ihrer Überschrift, aber die Erwartungen, die da geweckt werden, werden schlichtweg enttäuscht – zum Glück, kann man sagen.“

Es ist eine Debatte unserer Zeit, vergleichbar mit der um Twitter und Trump , um Auftritte des Sängers Xavier Naidoo oder um den Gastbeitrag eines trumpfreundlichen Senators in der New York Times


Welche Stimmen bekommen eine Plattform? Welche Meinungen lässt man im öffentlichen Diskurses zu, welche müssen isoliert werden? Wo verlaufen die Grenzen?

Unsere couchFM-Reporterin Clara hat mit David Kiefer und Horst Meier gesprochen. Hört es euch an und macht euch selbst eine Meinung!


Autorin:

Clara