Islands Dream-Team

Dream-Team
Von links nach rechts: Sóley, Sin Fang und Örvar Smárason. | © Ingibjörg Birgisdóttir

Sin Fang, Sóley und Örvar Smárason formen eine Supergroup der isländischen Indie-Szene

Mit ca. 330.000 Staatsbürgern umfasst Island gerade einmal an ein Zehntel (!) der Einwohnerzahl Berlins. Trotzdem hat die nordische Insel einen Musikexport, von dem unsere Hauptstadt nur träumen kann. couchFM redet mit zwei wichtigen Vertretern der Szene über isländische Musik, Fußball und Supergroups.


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MUSIKNERDS

Hannah M.

VON Hannah

Bei Island denkt man wohl als erstes an die trostlosen Landschaften mit Vulkanen, Geysiren und einem seltsamen Völkchen, das an Elfen glaubt. Seit der glorreichen Fußball-EM 2016 in Frankreich, an dem die isländischen Underdogs die sonst recht unspektakuläre Meisterschaft ordentlich aufgemischt haben, hat wohl auch der ein oder andere die Wikinger-Schlachtrufe der enthusiastischen isländischen Fußballfans auf dem Schirm. Angeblich war ein Zehntel der Inselbewohner ausgereist, um ihr Team während der EM zu unterstützen.

Unter dieser aufsehenerregenden isländischen Fan-Masse befanden sich auch zwei Musiker aus Reykjavik: Sindri Már Sigfússon, besser bekannt als Sin Fang, und Örvar Smarason, sowohl Mitglied der experimentellen Ambient-Truppe múm als auch der Electropop-Band FM Belfast. Die beiden sind schon seit Jahren gut befreundet und fanden sich in Bordeaux zu einem Match zusammen. Genau dort kam zum ersten mal die Idee auf, gemeinsam ein Musikprojekt zu starten, erzählt Sin Fang bei einem Interview im Restaurant. Örvar sitzt daneben und zerteilt gemütlich das Ratatouille in seiner Schüssel.

“I was really tired of that endless process” – Sin Fang

“From the time I started doing the album it took like two years until it came out“, erklärt Sin Fang. “ I was really tired of that endless process”. Also wollte er die Sache einmal komplett anders angehen und kam auf die Idee, einen Song pro Monat zu veröffentlichen. Musik ganz auf die Schnelle, nur so zum Spaß. Sein Begleiter Örvar Smárason schloss sich dem Projekt sofort an – sie hatten sowieso schon lange eine Kollaboration miteinander geplant. Auch eine weitere Freundin und Kollegin der beiden, die Singer-Songwriterin Sóley, wurde mit ins Boot geholt. Sin Fang, Sóley und Örvar Smárason – die isländische Supergroup war komplett.

Gesagt, getan. Im Januar 2017 erschien der erste Song dieser musikalischen Kollaboration. In jedem Monat des Jahres folgte ein weiterer. Anfang 2018 erschienen dann die zwölf Songs gebündelt auf Platte mit einem Albumtitel, der nicht treffender hätte sein können: Team Dreams. Was sich bei dieser Kollaboration zusammen gefunden hat, ist wahrlich ein Dream-Team mit Team-Dreams! Sie verbindet eine langjährige Freundschaft, das gleiche Berliner Label Morr Music im Rücken und vor allem der gleiche Stempel auf ihrer Musik: “Icelandic”.

 


 

Icelandic. Was erst einmal wie eine reine Herkunftsbeschreibung anmutet, ist unter Indie-Fans eine stilistische Definition, die durchaus nicht jeder isländische Musiker aufgedrückt bekommt. Seit Jahrzehnten liefert die Insel Musik aus unterschiedlichsten Genres, die aber in ihrer Grundstimmung durchaus vergleichbar ist: träumerisch entrückt, gleichwohl eingängig wie verspielt, und vor allem: melancholisch! Icelandic ist weniger ein Genre, als vielmehr eine Stimmung, ein Sentiment, eine Metapher für diese einsame, karge und merkwürdige kleine Insel.

“I don’t think it’s an Icelandic thing” – Örvar Smarason

Sin Fang und Örvar Smárason betonen im Interview, dass sie sich selbst keinesfalls als die Aushängeschilder der isländischen Musik auffassen, für die sie international gehalten werden. In Island würde man ihre Musik nicht mal im Radio hören, argumentiert Sin Fang und Örvar bestätigt: “Most music we hear in Iceland is not dreampoppy or melancholic. It’s just that small part of it that is”.

Es mag vielleicht nur eine sehr kleiner Teil sein, aber es ist der Teil, der über die isländischen Landesgrenzen hinaus eine durchweg hohe Aufmerksamkeit in der Musikpresse erfährt und eine beachtliche internationale Fangemeinde entwickelt hat. Größen wie Björk und Sigur Rós fügen sich als Zugpferde genauso in diesen Kosmos der isländischen Indie-Szene ein, wie eben Sin Fang, Sóley und múm. Sie alle sind zwar keine Repräsentanten aller Musik Islands, wohl aber für das, wofür Island international steht.

Team Dreams klingt dann auch genau so, wie man es von einer Icelandic Supergroup wie dieser erwarten kann: melancholisch. Mal klassisch als Dream Pop (verlinken:
//www.couchfm.medienwissenschaft-berlin.de/musikgenre-dream-pop/), mal im R’n’B-Gewand. Dass das Ganze eigentlich ein Spaß-Projekt werden sollte, hört man dem oft tief traurigen Ergebnis bei Weitem nicht mehr an!

Von der gedrückten Stimmung des Albums sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. “It was one of the most fun albums I’ve made”, versichert Sin Fang. Warum? Das Konzept der Zwanglosigkeit, das ganz am Anfang stand, ging wohl auf. Es war für die drei vielmehr ein Zusammenspiel, als eine Zusammenarbeit. “We trusted ourselves so much that we just threw stuff in and we let these songs happen on their own”, beschreibt Örvar den Entstehungsprozess als Selbstläufer. Auch wenn der Spaß dem Album nicht anzuhören ist, so ist die Leichtigkeit der Entstehung dafür stets spürbar. Die Melancholie ist da und lässt niemals locker, aber sie erdrückt nicht. Auch wenn die drei selbst widersprechen würden: Classic Icelandic!

“Happiness is never dangerous” – Örvar Smárason

Und wie gehts weiter mit unserem Dream Team? Die nächste Fußball-Meisterschaft steht schon vor der Tür, die WM in Russland. Und wieder wird Islands Mannschaft dabei sein – zum allerersten mal in der Geschichte. So richtig hat sich noch keiner an diesen Gedanken gewöhnt. “Sometimes I wake up in the morning and I find it unbelievable that were going to the world cup. I just can’t believe it!”, gesteht Sin Fang. Ob sie denn stolz seien? Örvar verneint und erklärt das mit einer kleinen, beiläufigen Lebensweisheit: “Happiness is something better to take out of football than pride, because pride can be really dangerous. Happiness is never dangerous – it’s just good”.
 


 
Vielleicht inspiriert sie ja auch diese WM 2018 zu einer weiteren Kollaboration. Eine zweite Auflage in derselben Form soll es allerdings nicht geben. Gut vorstellen können sie sich dagegen eine erneute Zusammenarbeit durchaus. Zum Schluss setzt sich Sóley mit an den Tisch und klinkt sich in das Gespräch ein. Sie bringt ein gemeinsames Cover-Album ins Gespräch. Örvar und Sin Fang fallen sofort begeistert ein. “Yeah, let’s do that!”

Es heißt also abwarten! Aber auf eines können wir uns jetzt schon verlassen: selbst wenn Island Weltmeister würden und die drei noch so viel “happiness” aus dem Fußball herausholen – das nächste Album wird wieder auf jeden Fall wieder eines: Classic Icelandic melancholisch!

Weiterführende Links

Homepage Morr Music

Facebook Sin Fang

Facebook Sóley

Facebook Örvar Smárason

Beitrag Morr Music


Autorin:

Hannah Muckelbauer

Hannah