Ayurveda – Was ist das eigentlich?

Ayurveda. Dieses Wort begegnet uns im Wellness Hotel und im Yogastudio. Damit wird für Tee geworben oder Diäten angepriesen. Auch findet es sich auf der Speisekarte des indischen Restaurants bei mir um die Ecke. Doch was ist das überhaupt – dieses Ayurveda? Kann man das Essen und wenn ja wie schmeckt es? Nein, jetzt mal im Ernst: Ich habe keine Ahnung und muss sogar jedes Mal nachschauen, wie man es schreibt.


Damit wir etwas Licht ins Dunkel bringen, habe ich mich mit einer Expertin getroffen. Nora. Sie ist ausgebildete Yogalehrerin und bietet ayurvedische Beratungen und Massagen in Berlin an. Bevor Nora mit Ayurveda in Kontakt kam, war sie Sonderpädagogin. Ayurveda hat sie so sehr überzeugt, dass sie ihren Job an den Nagel hing.

Foto: Noro (c) Akasha Berlin

Nora: Ayurveda ist ein ganz altes Gesundheitssystem, dass aus Indien zu uns rübergekommen ist. Was es von dem westlichen Gesundheitssystem unterscheidet ist seine Ganzheitlichkeit. Bei Erkrankungen werden keine Symptome behandelt, sondern Ursachen erforscht und diese dann behandelt. Im Ayurveda ist die Gesunderhaltung und nicht die Gesundmachung das oberste Ziel. Es klingt sehr ähnlich, hat aber eine unterschiedliche Herangehensweise zur Folge. Im Ayurveda spielt die Prävention eine ganz große Rolle.

Nora erzählt mir, dass das Wort Ayurveda Sanskrit ist. Ayur bedeutet das Leben und Veda Wissen oder Lehre. Ayurveda kann demnach als die Lehre vom Leben übersetzt werden. Das ayurvedische Wissen wurde vor circa 3000 Jahren in den Veden niedergeschrieben. Die Veden sind die heiligen Schriften des Hinduismus.

“Ayurveda ist kein Wellnesssystem. Es ist mehr.”


CouchFM: Nun frage ich mich natürlich schon was Ayurveda im SPA Hotel zu suchen hat. 

Das Ayurveda kennt Massagen und ist trotzdem keine SPA Anwedung. (c) Akasha Berlin

Nora: Viele kennen Ayurveda aus dem Bereich des Wellness. Massagen z.B. sind eine manuelle Anwendung des Ayurvedas. Diese Massagen werden gerne in Wellnesshotels als Ölmassagen angeboten, aber Ayurveda ist kein Wellnesssystem. Es ist mehr. Es ist auch keine esoterische Heilmethode. Natürlich kennt das Ayurveda ein Energiesystem. Damit wird auch gearbeitet, aber – ich übertreibst jetzt mal – da wird nicht irgendwo eine Hand aufgelegt und dann ist alles gut.

CouchFM: Wie bist du zum Ayurveda gekommen?

Nora: Ich hatte mit Ayurveda bis zu meiner Yogalehrer-Ausbildung gar nichts zu tun gehabt. Yoga und Ayurveda sind in etwa in der gleichen Zeit entstanden. Haben sich also auch gegenseitig beeinflusst. In der Yogalehrer-Ausbildung hört man irgendwann diesen Begriff und lernt ganz grobe Grundzüge, die man als Yogi wissen sollte. Ich fand es interessant und habe angefangen ein bisschen rumzurecherchieren. Das was ich gelesen habe, hat mir alles nichts gesagt. Fand es aber dennoch interessant und habe mich umgeschaut, ob man das irgendwo lernen kann.

CouchFM: Was hat dich daran gefesselt?

Nora: Die Selbstwirskamkeit. Es ist kein System, mit dem ich zum Arzt gehe und meine Gesundheit in Fremde Hände lege, sondern ich habe ganz vieles selbst in der Hand. Ich glaube, dass wenn wir mehr auf uns achten wir auch mehr für unsere Gesundheit tun können und unser Gesundheitssystem nicht so belasten.

CouchFM: Wo stößt Ayurveda an seine Grenzen?

Nora: Ayurveda baut auf Beobachtung von z.B. Naturgesetzen und von Vorgängen des menschlichen Körpers auf. Ist daher gut geeignet für chronische Krankheitsverläufe. An seine Grenzen stößt Ayurveda bei akuten Organerkrankungen, wie z.B. Herzinfarkten. Da ist Ayurveda nicht führend. Da gibt es bessere Systeme – wie die Medizin hier bei uns – die dann eher und schneller reagieren kann.

“Dieser Hype auf die Konstitutionstypen ist was ganz typisch Westliches.”

CouchFM: Gibt man den Begriff Ayurveda in jeder gängigen Suchmaschine ein, so werden einem Webseiten mit sogenannten Körpertypen-Test vorgeschlagen.

Nora: Ich habe ein Problem mit dem Begriff Körpertyp. Das suggeriert mir, dass ich nur auf den Körper schaue und das ist völlig falsch. Der Körper ist eine Hülle in der ganz viele Prozesse ablaufen. Von daher benutzt man im Ayurveda den Begriff Konstitutionstyp. Davon gibt es drei (Vata, Pita, Kafa). Dem zu Grunde liegt was ganz simples – die Lehre von den Elementen. Es gibt im Ayuverda fünf – wir kennen vier. Die Vier Elemente, die wir kennen plus das erste Element, dass man mit Äther oder Raum übersetzen könnte. Jeweils zwei Elemente bilden eines dieser Konsitutionsprinzipien. Das ist jetzt aber nicht nur auf den Körper bezogen. Diese Konstiutionsprinzipien gelten überall. Sie gelten in Jahreszeiten, in unseren Lebensphasen, im Tagesablauf – sie sind allumfassend. Es ist also die absolute Grundlage im Ayurveda.  

Im Ayurveda werden Speisen immer frisch zubereitet. (cc) chelsea shapouri

CouchFM: Wie relevant ist es seinen Konsitutionstypen zu kennen?

Nora: Dieser Hype auf die Konstitutionstypen ist was ganz typisch Westliches. Diesen gibt es so im Ayurveda nicht. Denn so lange ich ein normales Leben führe – also maßvoll und bewusst bin – muss ich nicht wissen welchen Konstituionstyp ich habe. Wenn ich maßvoll und bewusst unterwegs bin und auf meinen Körper höre, dann bin ich schon richtig unterwegs und muss nicht eine Lehre dahinter wissen. 

Interessant werden die Konstiutionstypen, wenn Krankheiten auftreten. Dann schaut man sich den Konsitutionstypen an um individueller reagieren zu können. Es ist wirklich ganz individuell. Es wird z.B. geschaut wo die Ursache für die Kopfschmerzen liegt; welche Konsitutions vorliegt und was in dieser schief gelaufen ist und wie es zu diesen Kopfschmerzen kommen konnte. Und das wird dann behandelt. 

CouchFM: Ich habe im Netz gesehen, dass man seinen Konsitutionstypen durch ein schnelles Quiz herausfinden kann. Was hälts du davon?

Nora: Das Problem bei diesen Internetgeschichten ist, dass der Konsitutionstyp veränderlich ist. Ich nehme mal ein Beispiel: Würden wir heute mit dir, an diesem warmen Sommertag, eine Konsitutionstypbestimmung machen und ein halbes Jahr später – dann würde was anderes rauskommen. Du ernährst dich vermutlich im Sommer auch anders als im Winter. Der Konsitutionstyp steht immer im Wechsel mit der Umwelt. Da sich unser Lebenstil in unseren Breitengrad mit der Umwelt ständig verändert, verändert sich auch unser Konsitutionstyp. Es ist nicht möglich zu sagen: Das ist mein Konsitutionstyp und er gilt bis zum Ende meines Lebens. Das funktioniert so nicht. Das jedoch suggerieren diese Nummern im Internet. Manchmal hat man das ja auch in Zeitschriften, da kann man dann ein Kreuzchen setzen. Der Konsitutionstyp wird aus fünf Bereichen erfasst, doch das was wir im Internet oder in Zeitschriften finden erfasst maximal drei. Und die anderen beiden bleiben außen vor. Man kann den Konsitutionstypen nur im Gespräch ermitteln – das geht nicht anders. 

CouchFM: Warum kann man die anderen zwei Elemente im Schnelltest nicht ermitteln?

Nora: Weil sie in dem Sinne durch solche Tests nicht erfassbar sind. Da geht es um biographische Ereignisse und um Krankheitsgeschehen im Laufe des Lebens. Und wie will man das formulieren, wenn man denjenigen nicht vor sich hat?

CouchFM: Wenn ich zum Schulmediziner mit Kopfschmerzen gehe würde vermutlich gefragt werden wie oft ich diese habe und abgeklärt, ob es vermutlich Migräne ist. Im besten Fall nehme ich einfach ein Aspirin. Was würdest du anders machen, wenn ich mit meinen Kopfschmerzen zu dir komme?

Nora: Ich würde dich ein Tagebuch schreiben lassen. Ein Tagebuch darüber was du wann machst und wann die Kopfschmerzen auftreten. Und das über einen längeren Zeitraum. Das hilft dir in dem Moment nicht, aber es ist halt langfristig gedacht. Häufig kann man dann aus dem Tagebuch Strukturen erkennen, die als Auslöser für die Kopfschmerzen gelten können. 

“Ein Ayurveda-Arzt in Indien hat eine 11-jährige Ausbildung hinter sich.”

 

CouchFM: Was befähigt jemanden dazu ayurvedische Behandlungen anzubieten?

Nora: Es ist sehr langwidrig sich mit Ayurveda zu beschäftigen. Ein Ayurveda-Arzt in Indien hat eine 11-jährige Ausbildung hinter sich. Es ist zum einen ein Studium an der Uni und danach laufen diese Ärzte bei anderen Ayurveda-Ärzten mit. Ähnlich aufgebaut ist in Indien die Ayurveda-Therapie-Ausbildung. 

CouchFM: Wie verläuft eine Ausbildung in Deutschland? 

Nora: Das gibt’s so in Deutschland nicht. Das liegt auch daran, dass Ayurveda in Deutschland nicht als medizinisches System anerkennt ist. Von daher muss man sich seine Ausbildung selbst zusammensuchen. Ich habe bisher keine Akademie gefunden, wo man wirklich alle Anteile des Ayurveda an einen Ort zusammenbringt und dort die Ausbildung macht.
Ich habe meine manuelle Ausbildung woanders gemacht, als die Ausbildung des Bereichs der Psychosomatik oder der Ernährung. Da muss man schauen, da einige Angebote speziell für Ärzte sind und andere für Quereinsteiger so wie mich, die dann immer tiefer in die Ausbildung gehen können.

Ich habe zuerst die Manual-Ausbildung gemacht ohne die Grundlagen des Ayurveda zu kennen. Das würde ich heute anders machen. Natürlich kann man mit der Grundlagenausbildung erst mal kein Geld verdienen, aber als ich diese gemacht habe war das für mich wie eine Offenbarung. Ich habe verstanden, was ich da eigentlich tue. 

CouchFM: In welche Bereiche gliedert sich Ayurveda?

Nora: Es gibt den ganzen präventiven Bereich. Dazu gehört die Lebensführung. Das diese auch entsprechend dem ist was ich als Person mitbringe. Es sind die Ernährung und die ganzen Reinigungstechniken, die da reingehören. Dann gibt es den großen therapeutischen Bereich, wo Manual Therapie eine Rolle spielt. Da kommen auch Nahrungsergänzungsmittel dazu. Das sind pflanzliche Mittel, die bei bestimmten Problemen, den Körper unterstützen sollen. Und dann gibt es den großen ärztlichen Bereich

Tipps für Dich

CouchFM: Hast du drei Tipps für unsere HörerInnen?

Nora: Ich würde aus dem präventiven Bereich schöpfen, da alles andere einer Begleitung bedarf. Eine große Rolle im ayurvedischen Präventivbereich spielt die Reinigung. In der westlichen Welt heißt Reinigen vielleicht: ich stelle mich unter die Dusche und putze mir die Zähne. Und fertig. Das ist im Ayurveda breiter aufgestellt. Man versucht den Körper von Innen mit zu reinigen. Das Zungenschaben haben viele schon mal gehört. Oder das Ölziehen am Morgen. Die Nase spülen – am gängigsten mit Salzwasser – und hinterher auch zu ölen. Man dringt jedoch noch etwas weiter ein und versucht den Magen-Darm-Trakt zu reinigen. Dazu trinkt man morgens auf nüchternen Magen warmes Wasser (circa 60°). Da kann man gerne etwas Ingwer oder Zitrone mit hineintuen. Das bringt die Peristaltik in Bewegung, so dass dann relativ zügig eine Ausscheidung stattfinden kann.

 

Ein anderer Bereich wäre, dass man bei den Ritualen schaut. Ayurveda mag Rituale, da sich der Körper an diese gewöhnt und man ihn dadurch ein bisschen trainieren kann. Man kann sich zum Beispiel ein Abendritual angewöhnen, dass einen auf den Schlaf vorbereitet. Wir sind eine Gesellschaft, die gerne aus den Vollen direkt ins Bett geht und dann wundern wir uns warum wir nicht einschlafen können. Deas Ayurveda fährt das ganze System gerne runter. Zum Beispiel durch einen beruhigenden Tee oder der berühmten goldenen Milch. Noch etwas beruhigendes tun wie Lesen, Musik hören oder sich mit der Familie darüber austauschen was am Tag passiert ist.
Und dann ab ins Bett. Und das Bett dann auch wirklich als Schlafstätte nutzen; nicht nochmal anfangen im Bett zu lesen.


Und wenn wir dann in die Ernährung gucken gilt: frisch zubereitete Speisen, keine Konsverven. Und den Magen immer nur zu zwei Drittel füllen. Sonst hat der Magen nämlich nicht genug Platz für seine Verdauungsbewegungen. Dann kommt das was wir als Sodbrennen kennen. Das passiert, wenn wir den Magen zu voll haben.

Also Reinigung von Innen und Außen am Morgen; beruhigende Zu-Bett-Geh-Rituale und frisch und maßvoll Essen. Klingt leichter als es ist. Das Bett wird ab heute zur smartphone-freien Zone erklärt und ich sollte mich auch beim all-you-can-eat-Buffett zügeln. Nun weiß ich mehr… Jetzt muss ich Ayurveda nur noch fehlerfrei schreiben können.

 

 

Weiterführende Links:

Noras Studio in Berlin Pankow: //www.akasha-berlin.com/

Kurzversion des Beitrags:

 


Autorin:

Lilia